Alles droht zu kippen
Was bisher geschah:
Ermittlerin Lena Berger erhält eine anonyme Mail, die eine Gefahr bei einem Charity-Event im Lokal „Frost & Flamme“ andeutet, und am nächsten Abend wird dort ein Mitinhaber tot aufgefunden. Während Lena die Verbindung zwischen der Warnung und dem Mord untersucht, fällt ihr Jonas Kellers kontrollierte Reaktion auf. Unter Druck von Vorgesetzten, die schnelle Ergebnisse fordern, konzentrieren sich die Ermittlungen auf Gäste, Personal und Geschäftspartner, wobei ein Raub ausgeschlossen ist. Lena analysiert Tonaufnahmen vom Abend des Vorfalls, um den entscheidenden Moment zu identifizieren, der aus Routine ein Verbrechen machte.
Der Name des falschen Verdächtigen stand in fetten Lettern auf dem Protokoll, als Lena es unterschrieb. Formal korrekt war alles: Motiv denkbar, Gelegenheit vorhanden, Widersprüche in den Aussagen. Die Spurenlage sprach ihre eigene Sprache. Oder tat zumindest so.
Im Flur wartete der Staatsanwalt auf eine Entscheidung. Die Presse wartete auf eine Schlagzeile. Ihr Chef wartete auf Ruhe in der Leitung.
Lenas Blick glitt zu dem dünnen Ordner am Rand ihres Schreibtischs: Anonyme Hinweise – Frost & Flamme. Die Mails, die sie niemandem vorzulesen gewagt hatte, weil sie zu leicht wie Spinnerei wirkten. Weil ihr letzte Spinnerei beinahe eine Unschuldige das Leben ruiniert hätte.
Sie dachte an Mia, an deren zweite Aussage. Die junge Frau hatte plötzlich mehr Details gewusst, als in der ersten Nacht. Eine zusätzliche Bewegung, ein Glas an der falschen Stelle, ein Geräusch, das sie erst jetzt zuordnen konnte. Es passte nicht zur neuen Verdachtsperson. Es passte zu Jonas Keller.
Die Versuchung war groß, das zu überhören. Einfach die Unterschrift setzen, den Verdächtigen dem Staatsanwalt übergeben, den Fall als „weitgehend geklärt“ in die Statistik kippen.
Lena legte den Stift hin. Ihre Finger waren kalt.
Man konnte lernen, seinen Instinkten nicht zu trauen. Aber man konnte ihnen nicht verbieten, zu schreien.
Sie stand auf, nahm die Akte und den Ordner mit den Mails. Bevor noch jemand beschloss, für sie die Wahrheit zu definieren, würde sie sich selbst vergewissern, ob sie nicht gerade denselben Fehler ein zweites Mal beging.
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