Alles droht zu kippen
Was bisher geschah:
Jonas Keller, Gastgeber und Mitinhaber des Restaurants „Frost & Flamme“, steht unter großem Druck, da ein Weihnachtsdinner vorbereitet wird und ein Fehler alles ruinieren könnte. Nach einem dramatischen Vorfall während eines Charity-Dinners ermittelt die Polizei im Restaurant, was Jonas nervös macht, da er seine mühsam aufgebaute Fassade aufrechterhalten muss. Im Büro, das wie eine Bühne nach der Premiere wirkt, konfrontieren ihn Anfragen und Sorgen von Investoren über den Imageschaden durch den Tod seines Partners. Während die Technik im Gastraum überprüft wird, reflektiert Jonas über die Demütigungen der Vergangenheit und fragt sich, ob er die Bühne seines Lebens behalten oder mit ihr fallen wird.
Der Artikel in der Morgenzeitung war sachlich formuliert, aber jeder Absatz schnitt ein wenig tiefer. „Interne Spannungen im ‚Frost & Flamme‘ – Ermittlungen richten sich auf Geschäftspartner.“ Daneben ein Foto von ihm, aufgenommen bei irgendeiner Preisverleihung. Lächelnd, tadellos, makellos.
Die Schlagzeile war keine Anklage, noch nicht. Aber sie zeigte eine Richtung. Und die Stadt liebte Richtungen.
Jonas legte das Blatt beiseite und blätterte durch die Unterlagen, die sein Anwalt ihm vorbereitet hatte. Kontoauszüge, Verträge, Mails. Alles, was harmlos genug wirkte, um es herauszugeben. Alles, was gefährlich war, lag in einem separaten Ordner, physisch in einem Schrank, zu dem nur er den Schlüssel besaß.
Er dachte an den Mann, dessen Name neben seinem auf der Fassade stand. An die Abende, an denen sie sich hochgetrunken hatten, jünger, größenwahnsinnig, überzeugt, die Stadt würde irgendwann nach ihrem Takt tanzen. An den Moment, in dem aus „wir“ langsam „er“ geworden war – der, der sang, posierte, redete.
Und an gestern Nacht. An den engen Flur, das schrille Echo des Songs im Hintergrund, die eine Sekunde, in der seine Hand zu fest, sein Stoß zu hart gewesen war.
Draußen vor dem Fenster blinkte die Lichterkette des Nachbarhauses im ungeduldigen Takt. Drinnen zählte Jonas die Optionen. Schweigen, leugnen, lenken. Oder reden – und alles verlieren.
Zum ersten Mal seit Langem war er sich nicht sicher, ob er wirklich wusste, wie man auf dieser Bühne überlebte.
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