Der Vorabend
Lena Berger - die Ermittlerin
Der Flur der Mordkommission roch nach kaltem Kaffee und nasser Wolle. Auf dem Whiteboard stand noch der halb weggewischte Name ihres letzten Falls, wie ein Fehler, der sich weigerte, zu verschwinden. Lena Berger blieb einen Moment davor stehen, als müsste sie erst beweisen, dass sie heute nichts mehr falsch machen würde.
Auf ihrem Schreibtisch blinkte eine neue Mail. Betreff: Hinweise Ordnungsamt – Veranstaltung „Frost & Flamme“.
Sie öffnete sie ohne große Erwartung. Meist waren es anonyme Spinner, die Aufmerksamkeit suchten. Doch schon der erste Satz ließ sie aufrechter sitzen.
Unter all eurem Lichterglanz fault die Wahrheit. Einer von euch wird in diesem Jahr nicht nach Hause gehen.
Kein Datum, keine konkrete Drohung. Aber die Formulierungen saßen. Jemand, der sich Mühe gegeben hatte, zu klingen wie eine Mischung aus Richter und Prediger. Weiter unten: der Name des Lokals, das große Charity-Weihnachtsdinner, die Liste der Ehrengäste. Und dann, fast beiläufig eingestreut, wie ein vergifteter Haken:
Fragt Jonas Keller.
Lena lehnte sich zurück. Der Name sagte ihr nichts. Einer von vielen Geschäftsleuten, die sich mit Spenden ein reines Gewissen kauften. Aber die Kombination aus öffentlicher Veranstaltung, Politik, anonymem Groll – und dieser konkreten Drohung –, brannte sich ein.
Draußen im Hof flackerte die Weihnachtsbeleuchtung des Präsidiums. Für den Rest der Stadt war es nur ein weiterer Dezemberabend.
Für Lena fühlte es sich an wie der Moment, bevor ein Fall beginnt.
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