Die Auflösung
Was bisher geschah:
Mia Novak arbeitet im Restaurant "Frost & Flamme" und wird nach einer Doppelschicht bei einem Charity-Dinner, das zum Tatort wird, in eine polizeiliche Ermittlung verwickelt. Nachdem sie eine bedrohliche Nachricht in ihrem Spind findet, erkennt Mia, dass sowohl Songs als auch Zeugen zum Schweigen gebracht werden können. Am nächsten Tag sieht sie in der Zeitung den Namen eines Bekannten als "mutmaßlichen Täter" und fühlt sich mitschuldig. Geplagt von einem Traum und der Angst, dass jemand unschuldig bestraft wird, spricht sie mit der Ermittlerin und enthüllt Details, die den Verdacht von dem falschen Verdächtigen nehmen und ihre eigene Sicherheit gefährden könnten.
Der Vernehmungsraum war ihr inzwischen vertraut, fast zu sehr. Sie kannte die Risse in der Tischplatte, den leichten Schatten an der Wand, wo einmal ein Kalender gehangen haben musste. Heute war es stiller als sonst. Keine Hektik auf dem Flur, keine hastigen Schritte.
Mia erzählte zum dritten Mal von der Nacht. Diesmal ohne weglassen, ohne glätten. Von der Bühne, vom Song, von dem Moment, in dem sie hinter der Bar etwas suchte und den schmalen Gang im Augenwinkel sah. Von Jonas’ Körperhaltung, dem hektischen Griff an den Arm seines Partners, dem ungeschickten Stoß. Vom dumpfen Aufprall und dem Abreißen der Musik, als hätte jemand der Szenerie den Strom gezogen.
Sie sprach auch von dem Zettel im Spind. Von der Angst, die sich seitdem in ihrer Brust eingerichtet hatte wie ein ungebetener Untermieter. Und davon, wie sehr sie den Gedanken hasste, ihre Miete mit Schweigen zu bezahlen.
Die Ermittlerin schrieb viel mit, fragte weniger als sonst. Am Ende legte sie den Stift beiseite und sah Mia lange an. Es war kein mitleidiger Blick. Eher einer, in dem Anerkennung und Bedauern nebeneinander Platz gefunden hatten.
Als Mia später das Präsidium verließ, brannte in der Ferne ein Weihnachtsmarkt. Lampions, Lichterketten, ein Riesenrad, das sich langsam drehte. Sie blieb kurz stehen und atmete die kalte Luft ein.
Sie hatte keinen Job mehr, das hatte man ihr am Morgen nüchtern mitgeteilt. „Ungünstiger Zeitpunkt“, hatte jemand gesagt. Vielleicht. Aber zum ersten Mal seit der Mordnacht fühlte sich ihre Brust einen Hauch leichter an.
Unter all dem Frost, dachte sie, war noch etwas anderes übriggeblieben.
Etwas, das man Wahrheit nannte.
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