Die Mordnacht

Was bisher geschah:

Im Restaurant „Frost & Flamme“ bereitete sich Jonas Keller auf ein wichtiges Weihnachtsdinner vor, bei dem die Stadtspitze und Sponsoren erwartet wurden. Der Gastraum war perfekt vorbereitet, doch Jonas fühlte den Druck, da ein einziger Fehler seine Karriere gefährden könnte. Ein stummer Bildschirm zeigte ihn und seinen Partner, während im Hintergrund ein Weihnachtssong auf Abruf bereit war, der ihn jedes Jahr störte. Trotz der äußeren Perfektion und seines Erfolgsmodells war er sich der fragilen Natur seines Erfolgs bewusst.

Der Lärm des vollbesetzten Lokals war wie ein warmer Mantel, unter dem es ungemütlich schwitzte. Gläser klirrten, Besteck klang, irgendwo lachte jemand zu laut. Jonas glitt zwischen den Tischen hindurch, das perfekte Gastgeberlächeln im Gesicht, während in der Küche der Taktmesser seiner Nerven schlug.

 

Heute gab es kein Zurück mehr. Charity-Dinner, Presse, der Bürgermeister am Ehrentisch. Alles, worauf er gearbeitet hatte, konzentrierte sich auf diesen Abend. Und auf den Mann, der vorne auf der kleinen Bühne stand.

 

Sein Partner genoss jeden Blick. Goldene Krawatte, rotes Einstecktuch, das Mikrofon in der Hand, als wäre es ein Zepter. Jonas sah, wie er zur Musikanlage hinüberwinkte. Ein Kellner drückte auf einen Knopf.

 

Die ersten Töne des Songs schnitten durch das Stimmengewirr. Diese Melodie, die wie ein schlechter Scherz begann und nie besser wurde. Gesichter drehten sich, einige erkannten sie, lächelten amüsiert. Sein Partner hob die Hand, forderte Applaus, kündigte „unseren Weihnachts Hit“ an.

 

Jonas spürte, wie etwas in ihm eng wurde. Die Kamera eines Lokalreporters glitt kurz über sein Gesicht, fing vermutlich ein Lächeln ein, das sich wie eine Maske anfühlte.

 

Als er wenig später hinter der Bühne im schmalen Gang stand, hörte er den Refrain durch die Wand dröhnen. Jeder Takt erinnerte ihn daran, wem diese Bühne gehörte – und wem nicht.

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